"Das Politische hat sich privatisiert. Es ist ein Öffentlichsein ohne Öffentlichkeit geworden." (Paolo Virno) Es ist nicht so, dass das Private nicht geäußert würde, im Gegenteil, so frei wurde es noch nie geäußert. Der Intimraum ist viral geworden. Aber was ist die Konsequenz?
An den Gleichungen, mit denen sich meine Nichte herumschlagen muss, kam mir die Frage, ob es eigentlich auch möglich ist, andere gesellschaftliche Bereiche so zu behandeln wie Gleichungen. Die Gleichungen sind ja heute gar nicht mehr so abstrakt, wie wir sie berechnen mussten. Im Gegenteil, da ist nichts mit x und y, da geht es in Zeiten der Zentralmatura um Kredite und Wohnungsgrößen, um Heizkosten und um die Sozialversicherung, also quasi um das wirkliche Leben. Die Teenager sollen gleich jetzt mit dem konfrontiert werden, was später auf sie zukommen wird.
(Dahinter - backstage - geht es natürlich noch um anderes, um ein beinhartes Leistungsprinzip, von dem sie in diesem Alter schon wissen, um Ungleichhheit, denn wie sollst du, wenn du die Sprache nicht beherrschst, überhaupt erst in die neutrale Welt der x-se und ypsilons vordringen? Um soziale Differenzierungen, denn wie sollst du, wenn du dir keine Nachhilfe leisten kannst oder dein Umfeld dich nicht unterstützen kann, die Fragestellung verstehen, selbst wenn du ein mathematisches Genie bist.)
Mögliche Formel:
Für Ungleichheit gilt, dass die Last,
sie zu thematisieren bei den "Ungleichen" liegt.
Die "Gleichen" schreiten auf den Ebenen des Gegebenen
als wäre nichts.
(Hätte ich eine Tochter, würde ich sie für den Unterschied sensibilisieren,
der in der Wahrnehmung der Festigkeit des Bestehenden liegt.)
als wäre
ja quasi, gleichsam.
nein, nicht gleichsam, wie ungefähr.
sondern gleich wie exakt, wie
so viel wie oder wie
so ist (=) es.
Oder besser:
Wenn das und das zutrifft,
dann stimmt das und das.
Denn um die Gleichung zu lösen, musst du zuerst herausfinden, was gleichzusetzen ist, und dann erst aus dem ganzen Text eine Formel herleiten, die dann harmlos zwei Seiten hat und x-se und ypsilons und ein ist gleich (=) Zeichen. Und dann können alle Unbekannten mit Zahlen oder mit Daten befüllt werden, damit die Rechnung aufgeht. Stimmt.
Kann dieses Prinzip auch auf andere Bereiche angewandt werden? Zum Beispiel auf den Kategorischen Imperativ von Kant:
Handle so, dass du wollen kannst,
dass die Maxime deines Handelns ein allgemeines Prinzip werde.
Das übersteigt zwar ad hoc meine mathematischen Kenntnisse, aber es wäre vielleicht theoretisch möglich, daraus eine Gleichung herzustellen. Das Handeln und das Wollen wären hier wohl die sozialen Unbekannten, auf der anderen Seite stünde das allgemeine Prinzip, das gegeben wäre. So klar ist das aber auch nicht mehr, was ein allgemeines Prinzip ist. Es gibt hauptsächlich individuelle Prinzipien, keine allgemeinen mehr, außer vielleicht den Bodymaßindex und dass du schön, jung und reich zu sein hast.
Doch das war nur ein Gedankenspiel. Es ist etwas anderes, das mich auf die Gleichungen gebracht hat.
Und zwar der Satz: "Das Private ist politisch." Ich kenne diesen Satz. Er stammt aus der Zweiten Frauenbewegung. Kate Millett hat ihn, so weit ich weiss, geprägt. Es geht darum, so denke ich, etwas, das bisher darin nicht vorkam, in einen "politischen Raum" zu bringen und öffentlich sichtbar zu machen. Also um eine Versetzung. In der Formulierung "Das Persönliche ist politisch", sehe ich das noch besser ausgedrückt. Den eigenen Standpunkt, in den öffentlichen Raum bringen, politisch Werden. Damit kann ich viel anfangen. Wie mit allen anderen Bewegungen des Werdens. (Tier-Werden, Bastartin-Werden).
Konnte, um es genauer zu sagen. Denn jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Aber das liegt daran, dass sich sowohl das Politische, als auch das Private, als auch das Öffentliche verändert haben. Darauf komme ich noch.
Solche Sätze sind nutzlos, wenn sich aus ihnen kein Handeln ergibt. Wohin sie führen, liegt auf einer anderen Ebene. Ihre Zielrichtung ist, dass es anders sein kann. "It could be otherwise." Selbst angesichts der härtesten Faktizität (biologisch, sozial, ökonomisch) muss ich das im Auge behalten.
Wenn für Sprache gilt, dass sie auf anderes verweist, so gilt das für Sätze wie "das Private ist Politisch" umso mehr. Das sind Vektoren. Sie verweisen auf eine Veränderung, die sich außerhalb der Sprache vollziehen muss, aber notwendig die Sprache braucht.
Der Eintritt in die Sprache und das Sichtbarmachen des Privaten / Persönlichen ist ein außerordentlicher Schritt. Wir sprechen von etwas, das vorher hier keinen Raum hatte. Nada. Da war vorher nichts. Es geht um nichts weniger als um eine Versetzung von symbolischen Koordinaten.
Sprache ist auf dieser Ebene nie nur Sprache. Immer ist sie mehr. Sie ist nie nur der Tisch oder der Bildschirm. sie ist das ganze Zimmer, Wohnung, Straße - uferlos.
Wer sich auf die Bewegung des Werdens einlässt, merkt das. Gleich. Es steht viel entgegen. Es kann aber auch viel bewegt werden, vor allem in der Vernetzung mit anderen. Bewegungen haben die Tendenz sich zu potenzieren und Banden zu bilden.
Diese Bewegungen, die Überführungen in eine andere Sphäre, die zugleich auch deren Erweiterungen sind, würde ich als politisch bezeichnen. Es ist ein Prozess und nicht statisch. Kein Status. kein Staat. Jede* verbindet damit konkrete Erfahrungen. In meinem Fall war es die Erfahrung des Äußerns, die sich in verschiedener Form Ausdruck verschafft hat. Darüber kann ich viel sagen. Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die wenig Privilegien hatten, was die Voraussetzungen betrifft. Ich hatte immer schon Zugang zu viel Text, Literatur, Sprache ... Wie gesagt, es ist die Selbstverständlichkeit des Wassers für die Fische. Für das Selbstverständliche gilt, dass es fraglos ist.
Aus der Selbstverständlichkeit kommst du aber dann, wenn du ins Sprechen kommst. Denn dann merkst du, dass du dich in Räumen befindest. Die Art und Weise wie diese Räume strukturiert sind, ist Thema für sich. Die Räume selbst brauchen die Sprache nicht. Auch ohne es jemals sprachlich artikuliert zu haben, weißt du woran du bist. So jung kannst du gar nicht sein. Herrschaft und Macht teilen sich anders mit, aber du weißt, wo du aneckst. Diese obskure Art von Wissen, die implizite Einsicht in die Beschaffenheit eines Raumes z.B. als Unbehagen, ist dem Selbstverständlichen in den CIS-Ländern diesseits der Norm unbekannt, denn hier ist bzw. war immer schon alles so wie es ist oder war.
Ich stellte folgende Formel auf: Das Selbstverständliche ist sprachlos. Das Fragwürdige wird reflexiv.
Mit dem Sprechen stellst du etwas in einen Raum. Es ist ein Risiko. Etwas wird aufs Spiel gesetzt. Du beginnst zu spielen.
In Räumen beginnt Emanzipation. Erweiterung. Es gibt unglaublich tolle Räume, Räume für die ich unglaublich dankbar bin, dass es sie gab und gibt. Es benötigt immer viele, die einen Raum herstellen. Alleine entsteht kein Raum. Kinder haben in ihrer Fähigkeit, zu sagen, was etwas ist und es damit auch gleich zu etwas anderem zu machen, einen unmittelbaren Draht zur Schaffung von Räumen. Die Fähigkeit der Polymorphie, also etwas in etwas anderes zu verwandeln - nicht nur im So-Tun-Als-Ob, sondern wirklich, existiert auch in der Kunst z.B. in der Poesie. Wenn das passiert, geschieht etwas Neues. Eines der großen Themen der Kunst ist ja: Wie kommt das Neue in die Welt?
Ich stellte folgende Formel auf: Wenn etwas nirgendwo auf der Welt vorhanden ist,
dann mußt du es selber in die Welt bringen.
So leid mir das manchmal tut, denn oft wollte ich, dass es schon da wäre und mir der ganze Aufwand des In-die-Welt-bringens erspart bliebe. Aber leider ist es nun einmal so, dass wenig bis nichts davon vorhanden ist, beziehungsweise vieles, das schon einmal vorhanden war, die Tendenz hat, sich aufzulösen oder zu verschwinden und es scheint so, als wäre es nie gewesen. Vielleicht hat oder hatte es auch flüchtigen Charakter und hält nicht, wenn du dich nicht ständig darum kümmerst.
Das ist überhaupt interessant, dass etwas, das lebt, weniger Bestand hat, als etwas, das tot ist. Das Tote hält faktisch ewig, während das Lebendige ununterbrochen Zuwendung, Liebe und Aufmerksamkeit braucht.
Überhaupt denke ich, dass ich mich stärker fragen sollte in welchem Zustand etwas ist. Lebt es noch? Lebt etwas in der Form des Datensatzes oder als entschlüsselte DNA-Struktur? Lebt Schrift? Lebt ein Staat als Status quo?
Früher, als das Älterwerden für mich noch weit weg war und in den Sternen stand, habe ich mich gefragt, wieso im Alter diese elliptischen, einholenden Bewegungen einsetzen. Jetzt weiß ich besser, worum es geht. Diese als Nostalgie zu bezeichen ist erstens abwertend und kommt zweitens nicht annähernd hin. Es geht nicht darum, Vergangenes schön zu sehen, sondern um die Aufzählung dessen, was es nicht gibt. Es muss aufs Tapet gebracht werden, weil die Gegenwart als Status quo die Tendenz hat, Dinge verschwinden zu lassen.
Die einholende Bewegung das Verschwundene in die Zeit zu bringen, ist kritisch. So wie es manchmal sinnvoll ist, alle Widersprüche an einen Ort zu bringen und gegeneinander wirken zu lassen. Es kann auch eine Behauptung sein: Das gibt es, trotz allem. Das steht dann trotzig da, als Widerstand oder als Verunsicherung des Bestehenden.
Ich stellte folgende Formel auf: Es gibt nicht nur das in die Welt bringen,
es glbt auch vieles, das wieder aus der Welt gebracht wird, eh du dichs versiehst.
So stehe ich da. Als umgedrehte Atlantin, die ein versunkenes, versinkendes Atlantis aus dem Wasser hieven muss oder über Wasser halten muss. Und dabei komme ich gar nicht dazu, groß zu differenzieren, auf das Verschiedene zu achten und in die Tiefe zu gehen, weil es um das Überleben der grundsätzlichen Dinge geht, die mir etwas bedeuten.
Aber nie würde es mir einfallen, deswegen mit den Achseln zu zucken und sie eben ertrinken zu lassen. (Anspielung auf "Atlas Shrugged" von Ayn Rand, die in diesem und anderen ihrer Bücher einen ungebremsten ökonomischen und sozialen Egoismus vertritt). Im Gegenteil, es ist notwendig mit voller Kraft das Gegenteil von Rands Philosophie zu tun. Im Handeln, aber auch in der Sprache, was auch bedeutet, auf die Begriffe zu achten und auf ihre Veränderung.
Dass ich live dabei bin, wie sich Sprache verändert, hat mich immer schon fasziniert, umso mehr jetzt, da ich den Eindruck habe, dass das Tempo sich steigert. Es wäre notwendig, denke ich, eine Chronik zu machen, um auch die graduellen Veränderungen zu erfassen, die mit der Zeit zur Gewohnheit werden. Weil Zeit ja immer schneller vergeht, erscheint es wie im Zeitraffer:
Ich denke: Das war doch eben erst, das hatte dieses Wort noch eine ganz andere Bedeutung.
Das war doch eben erst Ironie und Übersteigerung, es hatte viele Schatten, eine Landschaft, einen Hof und ist jetzt platter Ernst so wie Beton. (Wer einmal gesehen hat, wie ein Garten zu einer Abstellfläche für Autos gemacht wurde, weiß was ich meine: der Raum schrumpft - das ist ein gutes Bild. Raum ist, wie gesagt etwas, das nicht alleine hergestellt werden kann.)
Der platte Ernst versteht die Zwischentöne nicht, die doch in Sprache, Kunst und Überschreitung so wichtig sind. Daran ist der platte Ernst leicht zu erkennen. Und doch ist auch der platte Ernst für den Zustand der Welt verantwortlich: dass etwas ist wie es ist. Diese Hilflosigkeit des platten Ernstes angesichts der Vieldeutigkeit.
Auch der Umschlag von Sprache zur Realität im Sinne des platten Ernstes geht verdammt schnell.
Gegenwärtig scheint der Diskurs der Solidarität, der Gleichheit und bedingungslos gleicher Rechte (historisch und sozial hart erkämpft) umgeschrieben zu werden. Wie das vor sich geht, möchte ich wahrnehmen und beschreiben. Denn es ist gesellschaftliche Veränderung, jenseits subjektiver Befindlichkeit. Von vielem ist nicht mehr die Rede.
Ein Zaun ist ein Zaun ist ein Zaun ...
Haut ist die Haut ist die Haut ....
Deshalb muss ich auf die Worte achten.
Auf Gleichheit, zum Beispiel.
Auch Gleichheit ist für mich ein Wort, dessen Gebrauch sich verändert. Vielleicht stehe ich da noch unter dem Einfluss des Theaterstücks, das ich unlängst im Volkstheater gesehen habe: "Verteidigung der Demokratie". Es ist sehr zu empfehlen. Vor allem auch der Sound, der live von der Band "Gustav" bzw. deren Sängerin performt wird. Eigentlich ist der Titel eine Abhandlung von Hans Kelsen (einem wichtigen Autor der österreichischen Verfassung). Der Text Kelsens wirkt auch heute unglaublich aktuell. Im Stück wird ein Bogen bis zur Gegenwart gespannt. Es wird zugleich der Aufstieg der wirtschaftsliberalen / neoliberalen Idee von der Mount Pelerin Society bis heute dargestellt. Was gleich auffällt ist, dass all die Ökonom*innen und Politiker*innen, die auf den oberen Rand der Bühne projiziert werden, mit Ausnahme von Margret Thatcher, Männer sind. Etwas anderes, das auffällt ist, dass in den Theorien der Ökonomen unglaublich oft von Freiheit die Rede ist. Die Freiheit erscheint meist in Verbindung mit Dingen, dem Markt, dem Waren- und Finanzverkehr, die wie Menschen auftreten. Sie scheint auch voraussetzungslos, bzw. in dieser abstrakten Freiheit sind alle bzw. alles gleich als unternehmerisch Handelnde. Die Wirtschaftstheorie hat ja die Tendenz, Dinge als Menschen auftreten zu lassen: den Markt, die Hedgefonds. Etwas Ähnliches ist gemeint, wenn Marx vom Fetischcharakter der Warenform spricht. Die Ware zeigt sich nicht als das, was sie ist, d.h. ihren gesellschaftlichen Charakter. Sie erscheint nicht als das, was sie ist, wird aber als Realität behandelt. Eine ähnliche Figur beschreibt auch Roland Barthes, wenn er vom Mythos spricht. Auch der Mythos erscherint als etwas Gegebenes. Hier findet sich das Prinzip, Geschichte in Natur zu verwandeln. Diese vermeintliche Natur wird dann nicht mehr hinterfragt. ("die bürgerliche Ideologie hört nicht auf, die Herstellung der Welt zu verbergen und sie als Objekt als Besitzens zu fixieren bzw. als ihr Haben einzubalsamieren." R. Barthes, Mythen des Alltags). Das beschäftigt mich: Dieser Prozess etwas erscheinen zu lassen als wäre es gegeben. So wirken Ideologien, nehmen Wirklichkeitscharakter an.
Nehmen wir einmal an,
es hätte so etwas gegeben wie die praktische Umsetzung der neoliberalen Idee. So etwa zwischen 2001 (9/11) und heute. Woran ließe sich das erkennen? Oh merde, ich hätte doch früher beginnen sollen mit meiner Chronik der Wörter, deshalb muss ich nach der Erinnerung gehen. Klar ist das subjektiv, aber was ist das nicht. Vielleicht hätte ich doch den Beginn früher ansetzen sollen. Aber dieser Zeitraum reicht, denke ich, um Fragen und Widersprüche auftrauchen zu lassen. Meine Generation ist ja in einer interessanten Zeit aufgewachsen, medial gesehen, als die Welt durchwegs analog war, als es eines unglaublichen Aufwands bedurfte z.B. ein Buch zu produzieren, als Kreativität bzw. die kreative Äußerung wenigen zugeordnet wurde, als das kreative Vermögen, das heute viele wie selbstverständlich mit Leichtigkeit beherrschen, exklusiv war und z.B. ausschließlich Artdirektor*innen vorbehalten war.*
All das hat sich mit der Wende zum Digitalen geändert. Es war eine Revolution in der Kommunikation und in der Kreativität. Nie war sich die Welt so nahe in ihren Äußerungen. Und doch hat es anscheinend nicht zu mehr Gleichheit geführt oder zu mehr Augenhöhe. Oder doch?**!!! Offensichtlich reicht es nicht, etwas öffentlich zu machen, zu hoffen, wenn das Private publik wird, sich der Effekt des Politischen automatisch einstellen würde.
In Reality-Shows, von denen die einflussreichste Big Brother war, wird das Private auf eine Weise ins Licht der Öffentlichkeit gestellt, die es nicht politisch, sondern unpolitisch macht. Casting-Shows sind Instrumente der Reihung, Kontrolle und Einübung in Konformität nach Kriterien des Marktes. Dort, wo Individualität medial sichtbar gemacht wird, dient sie der Normierung. Das Intimste kann viral werden und wird dennoch nicht politisch. Das Privateste soll sogar öffentlich geteilt werden, die Daten werden dann an die Meistbietenden verkauft. Meinungen werden zu einer Ressource für Big-Data und sinken ansonsten aus der Aufmerksamkeit. Wissen und Bildung dienen vorwiegend der sozialen Differenzierung und verlieren ihre kritische Sprengkraft. Im politischen Diskurs werden Solidarität und Gleichheit entwertet und instrumentalisiert. Stimmt das?
Ich frage mich, was da stattgefunden hat. (Ich habe dazu eine Vermutung, die ist aber noch nicht äußerungsreif)
Es scheint doch am Politischen zu liegen. Oder an der Form des Politischen.
Das Perfide an dieser neoliberalen Zeit ist ja, dass im Unpolitischen Veränderungen nicht bemerkt werden. Nachträglich kann man zum Besipiel dann feststellen, dass sich die Lage der Frauen 2001-2018 nicht zum Positiven verändert hat. Aber da wird man schon gegen eine Rede ansprechen müssen, die behauptet es wäre ohnehin de facto Gleichstellung erreicht. Ganz zu schweigen davon, dass Frauen nicht die Hälfte, sondern einen anderen Kuchen woll(t)en. Geschwiegen wird davon erst recht.
"Das Politische hat sich privatisiert. Es ist ein Öffentlichsein ohne Öffentlichkeit geworden" (schreibt Paolo Virno in Grammatik der Mulitude). Das öffentliche Agieren wie auf einer Bühne, von der Hannah Arendt spricht, wenn sie vom Politischen spricht, gilt mehr denn je. Oft wird es zu einem Seiltanz, oft bleibt nichts anderes über, als die unmittelbare Performance, der die Ästhetik abhanden gekommen ist. Virno sieht das auch als ein Kennzeichen der neuen, prekären Arbeitsformen, die in ihrer existenziellen Angewiesenheit auf Kommunikation gerade auf das zurückgreifen (müssen), was immer ein Merkmal des Politischen war.
Zur Sprache bringen alleine reicht nicht.
An den wirklichen Zusammenhängen muss gearbeitet werden, Räume geschaffen werden ...
In Gleichheit und Offenheit. Für Alle.
Und immer wieder. Von vorne. Jetzt.
*) Es gibt, historisch betrachtet, eine Antwort auf das, was passiert, wenn ein soziales Feld nicht mehr exklusiv wenigen zugänglich ist: es wird entwertet. Tätigkeiten, so komplex und anspruchsvoll sie auch sein mochten, sind mit einem Mal nichts mehr wert. Andere Grenzziehungen werden eingezogen. In der Geschichte der Frauenarbeit finden sich diese Re- und Entwertungen immer wieder (vgl. z.B. Margret Maruani: Die gewöhnliche Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, in: Irene Dölling / Beate Krais: Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis, Suhrkamp 1997.)
Es macht vielleicht Sinn, die gegenwärtigen Qualifizierungs- und Zertifizierungstendenzen und Exzellenzkulturen auch dahingehend zu betrachten. Es wird viel davon abhängen, ob sich eine Gesellschaft in Konkurrenzkämpfen absetzt oder sich solidarisiert.
**) Patti Smith: We all have a creative impulse
Patti Smith: Advice to the young
"There is no other time in history like right now. And that's what makes it unique (...) it is unique, because it is the time of the people. Because technology has democratized self-expression."