Was geschieht, geschieht.
Das Bild einer Ausstellung habe ich im Kopf. Auf der Fensterbank stand eine kleine Tafel mit dem Hinweis: „Es geschieht außen" – Der Blick aus dem Fenster fiel auf ein Plakat auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit der Aufschrift „Es geschieht innen".
Die Sätze verwiesen die BesucherInnen von Außen nach Innen und von Innen nach Außen, auf eine Situation in der Schwebe. Da ist nichts zu sehen. Nur die eigene Neugier....das entweder/oder an der Kippe im Zenit eines Pendelschlags.
Unten, auf der Straße hätte der Satz in mir den Wunsch geweckt, nach Innen zu gehen, wo dann wieder nichts gewesen wäre.
Das Fenster mit seiner ewigen Dialektik weckt seltsame Gedanken in mir.
Das Diesseits
In Opposition
Zum Jenseits
Eine unzeitgemäße fast schon konservative Metapher so scheint mir. Der Moderne entsprungen. Das Fenster schafft Positionen.
Das gewohnte Innen und das gefährliche Außen und umgekehrt - (Das Unheimliche geschieht dort wo diese Grenzen verschwimmen)
Den sicheren Ort und den unsicheren.
Die Betrachtenden und die Betrachteten.
Das Aktiv und das Passiv.
Garniert mit einer sehr trügerischen Präsenz. Zum Schein und zum Schauen sind sie ja alle gekommen und anwesend. Doch dann gibt es immer noch das Glas, das uns die Anderen vom Leibe hält.
Sie dürfen hineinsehen sich die Nasen an den Scheiben plattdrücken, ‑
Konsumieren: Mitessen und Mittrinken dürfen sie aber nicht. Sie bekommen nur alles zu sehen, was aufgetischt wird.
Fenster sind nicht egalitär. Fenster sind Grenzen, auch wenn sie durchsichtig sind. Europa ist eine Festung mit hell erleuchteten Fenstern.
Jeden Tag vor dem Bildschirm:
Das Fenster zur Welt: Windows.
hätten sie nicht einen besseren Namen finden können?
Nachrichten anstatt einer Aussicht.
Der Schirm, der die Aufmerksamkeit fesselt wäre ja sonst eine weiße Wand. Noch vor dem Frühstück die Durchsicht der Emails. Ein Screenjunkie, die sich von Junkmails ernährt. Das Fenster zur Welt: das ist schon die fünfzigste E-Mail, die mir heute Viagra verkaufen will.
Doch gibt es auch Situationen, in denen ein Medium ein Fenster zur Welt und der einzige Kanal von Bedeutung wird. Die Musicbox, zum Beispiel war früher eines dieser Fenster in Österreich. Man wartete auf die eine Stunde am Tag, wo die Borniertheit der Schlagerwelt durchbrochen wurde. Auf das Zeitfenster, das die Bewegungen kontrollierte. Ein Effekt davon war, dass alle die gleichen Platten zu Hause hatten. Die Enge und Einmaligkeit des Kanals hatte zur Folge, dass sehr viele Menschen an ihn angeschlossen waren und alle wussten, worüber sie sprachen. Die Bedeutung war nicht zerstreut, sondern extrem fokussiert.
So ähnlich könnte es auch in der DDR gewesen sein B92 fällt mir auch ein, - das sind sicher schwerwiegendere Beispiele aus Situationen der Zensur.
Unerhörtes geschieht:
Vor den Augen der Welt
geschieht unerhörtes
Hingesehen haben wir alle ja lange genug. Ich möchte den Blick endlich abwenden, frage mich wie lange wir uns noch (davon) fesseln lassen sollen und müssen.
(Ist es nicht ein Zweck dieser Bilder und Wortflut, dass wir stillhalten.
Emanzipation wäre dann im Gegensatz dazu die Möglichkeit das Geschehen zu verlassen. Aus dem geöffneten Fenster steigen, das jetzt anstatt im letzten Stock zu ebener Erde angebracht ist, nur haben wir das vorher nicht bemerkt.
Und die Rolle der Zuschauer, auch sie könnte anders sein. Dass so viele Menschen anwesend sind, wenn Lügen verbreitet werden, stört offenbar nicht.
Nach dem Ereignis der französischen Revolution, dachte Kant an das Publikum der Weltöffentlichkeit, die entstehen würde und die die Geschehnisse nicht mehr aus den Augen lassen würde....
die ganze Welt sieht zu...
The whole World is watching schrieb Bob Dylan in seinem Lied „When the Ship comes in" Wieder und vielleicht in Umkehrung zur heutigen Situation ist dies kein voyeurististischer Blick, kein Blick der sich beschränken würde auf das bloße Hinsehen und Hinnehmen. Auch wenn keine*r eine Erwiderung erwartet. Sie wird kommen.
2008 (Zum Thema Fenster)